Die Editionsprinzipien der Schumann-Briefedition richten sich weitgehend nach den von der Arbeitsgemeinschaft Musikerbriefe innerhalb der Fachgruppe Freie Forschungsinstitute in der Gesellschaft für Musikforschung erstellten Richtlinien-Empfehlungen für die Edition von Musikerbriefen.[1] Die Arbeitsgemeinschaft hatte sich im Anschluss an ein Mainzer Kolloquium über Komponistenbriefe des 19. Jahrhunderts 1994 gegründet. Bereits dort hatte Gerd Nauhaus auf die Überfälligkeit einer „umfassenden Schumann-Briefedition“ verwiesen.[2]
Die Schumann-Briefedition folgt den erhaltenen Briefautographen. Wo solche heute nicht mehr zugänglich sind, stützt sie sich auf Sekundärquellen, wie Abschriften, Druckveröffentlichungen oder Entwürfe (z.B. im sogenannten Briefkonzeptbuch BK). Ist ein Brief bereits publiziert, so werden Erstveröffentlichung und die vier ‚klassischen‘ Schumann-Briefausgaben von Wilhelm Joseph von Wasielewski (WRS 1858, WRS 2/1869, WRS 3/1888), Clara Schumann (Jugendbriefe 1885, 4/1910), Gustav F. Jansen (Briefe NF 1886 und Briefe NF 2/1904) und Hermann Erler (Erler I, II) genannt, weitere Veröffentlichungen nur, sofern es sich nicht um von diesen Druckquellen abhängige Publikationen handelt.
Ist ein Brief nur durch Editionen oder Abschriften überliefert, so wird bei mehreren Quellen die vollständigste bzw. zuverlässigste Quelle zugrundegelegt; Abweichungen von dieser Hauptquelle werden in einem kritischen Bericht nachgewiesen.
Bei den Briefen Schumanns wird als Nebenquelle das sogenannte Briefverzeichnis (BV-A und BV-E) herangezogen, in dem Schumann ab Mitte der 1830er Jahre die meisten der von ihm geschriebenen und empfangenen Briefe zu verzeichnen pflegte. Schumanns kurze Inhaltsangaben im Verzeichnis der abgesandten Briefe (BV-A) werden dem jeweiligen Brief nachgestellt. Mitunter gibt es Abweichungen zwischen der Datierung eines Briefs und dem Datum im Briefverzeichnis, in diesem Fall wird die Datierung des entsprechenden Eintrags zitiert. Weitere Quellenschichten bilden die Geschäftsnotizen der NZfM, ferner die bis 1844 dort nachzuweisenden Rezensionen und Inserate.
Sämtliche im Briefverzeichnis aufgeführten Briefe und Sendungen erhalten in der Edition des jeweiligen Briefwechsels eine eigene Nummer, auch wenn der Brieftext heute als verloren gelten muss. Keine eigene Nummer erhalten Briefe, deren frühere Existenz nicht gesichert ist. Wenn mehrere innerhalb eines geschlossenen Zeitraums geschriebene Briefe verschollen sind, erfolgt stattdessen ein summarischer Vermerk im Vorwort zum jeweiligen Band. In den Kopfzeilen zu den einzelnen Briefen werden Adressat und Zielort sowie Absender, Absendeort und -datum angegeben. Fehlen solche Angaben in den überlieferten Quellen, so handelt es sich um editorische Ergänzungen, wozu in vielen Fällen die Schumannschen Briefverzeichnisse als Basis dienen können. Bei Briefen von Institutionen, wie z.B. Verlagen, wird nach Möglichkeit der jeweilige Schreiber durch Schriftvergleich identifiziert und in Klammern der Institutionsbezeichnung nachgestellt. Wenn Briefe an mit Schumann in Verbindung stehende Institutionen wie der Neuen Zeitschrift für Musik oder dem Allgemeinen Musikverein zu Düsseldorf in Schumanns Briefverzeichnissen registriert sind, so werden sie in die Korrespondenzen aufgenommen, auch wenn sie nicht direkt an Schumann adressiert oder von ihm verfasst sind.
Soweit Briefautographen vorliegen und autopsiert werden konnten, werden sie im Apparat beschrieben. Aufschriften des Empfängers oder späterer Possessoren werden dort zitiert; falls erforderlich dienen Schrägstriche („/“) zur Wiedergabe des Zeilenfalls. Wenn die Provenienz geklärt ist, bleiben ältere (Bibliotheks-)Signaturen unerwähnt. Soweit Poststempel vorhanden und lesbar sind, werden der erste und der letzte, das sind in der Regel Abgangs- und Ausgabestempel, zitiert.
Die Textwiedergabe folgt der originalen Orthographie der Quellen; nur sinnentstellende orthographische Fehler werden in [ ] korrigiert. Auf eine Differenzierung zwischen deutscher und lateinischer Schrift wird verzichtet. In der Regel herrscht in den Briefautographen deutsche Schrift vor; für Fremdwörter, Eigennamen, Werktitel und Instrumentenangaben wurde meist lateinische Schrift gewählt. Auf durchgängig lateinische Schreibung einzelner Textpassagen wird in den Autographenbeschreibungen hingewiesen. Typische Eigenarten der deutschen Schrift werden der modernen Druckschrift angepaßt: Doppelte Bindestriche bei Wortzusammensetzungen werden als einfache Bindestriche wiedergegeben („Tripel-Concert“ statt „Tripel=Concert“). Die sogenannten ‚Faulenzerstriche‘ über „m“ und „n“ werden als Doppelkonsonanten aufgelöst („mm“, „nn“). Auch die Position von Anführungszeichen, die Schumann oft auch am Wort- oder Zitatende unten setzt („Flamin„), wird entsprechend den Regeln des heutigen Schriftsatzes normiert.
Beibehalten werden doppelte Abkürzungspunkte („Hr:“). In den Dokumenten mehrfach auftretende Abkürzungen sowie Kurzformen, die laut Duden bis heute üblich sind, werden nicht aufgelöst, sondern sind im Register der Abkürzungen in den Dokumententexten nachzuschlagen. Bei sonstigen Abkürzungen wird die Auflösung (ggfs. unter Beibehaltung des Abkürzungspunktes) in eckigen Klammern nachgestellt. Die zeitgenössische Schriftpraxis verwendete eine Vielzahl von Kürzeln, sogenannte Abbreviaturen, besonders häufig z.B. im Münzbereich. Sofern hier eine Umschrift in Buchstaben nicht problemlos möglich ist, wird die Abkürzung in historischer Schreibweise aufgelöst und im Apparat als Abbreviatur nachgewiesen.
Die räumliche Grobstruktur der Briefautographen wird schematisiert wiedergegeben; Titelblattentwürfe und ähnliche Zusammenstellungen werden diplomatisch übertragen. Sämtliche Absatzbildungen werden dem Original entsprechend nachvollzogen und durch Einrücken kenntlich gemacht. Schlussformeln werden zeilengetreu wiedergegeben, in Anlehnung an das Original entweder linksbündig eingerückt oder in normiertem Abstand vom rechten Rand. Im Brieftext selbst wird auf Angabe des originalen Zeilenfalls verzichtet, jedoch werden Seitenumbrüche des Briefautographs im Fließtext durch (mit Angabe der Folgeseite) kenntlich gemacht.
Nachträgliche Einschübe werden gekennzeichnet. Sofern nicht anders vermerkt, stehen solche nachträglichen Ergänzungen über der Zeile. Sämtliche sonstigen Nachschriften erscheinen im Anschluss an den Brieftext in hypothetischer Reihenfolge. Wenn sie im Original nicht nach Grußformel und Unterschrift folgen, sondern am Rand, quer oder ähnlich notiert sind, wird ihre Position und Schreibrichtung im Apparat genannt.
Datumszeilen sowie Beilagen- und Versendungsvermerke werden einzeilig wiedergegeben. Soweit es sich nicht um eine Kopfadresse handelt, folgt die diplomatisch wiedergegebene Anschrift nach dem Brieftext. Fehlt eine Adresse, so deutet das darauf hin, daß der Brief in einem separaten Umschlag versandt wurde, der heute verschollen ist.
[2] Gerd Nauhaus, Aspekte der Schumann-Briefedition, in: Komponistenbriefe des 19. Jahrhunderts, hg. von Hanspeter Bennwitz, Gabriele Buschmeier und Albrecht Riethmüller. Mainz/Stuttgart 1997 (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse 1997 Nr. 4), S. 63-73, hier S. 71.
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